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Schweden ohne Bargeld: Karte statt Cash

Foto: Niels Reise

Kampf um die schwedische Krone Böses Bargeld

Schweden hat etwas, was sich heute viele Europäer wünschen - eine eigene Währung. Doch die klassische Krone könnte bald verschwinden: Das Königreich will das Bezahlen mit Bargeld radikal einschränken, Lobbyisten kämpfen gar für ein Komplettverbot.

"Bargeld hat ausgespielt," sagt Maria Löök von der schwedischen Bankgewerkschaft trocken. Sie verweist auf aktuelle Statistiken, die einen starken Anstieg bei der Zahl der Raubüberfälle verzeichnen. Schuld an dieser Entwicklung sei der altmodische Gebrauch von Scheinen und Münzen - das jedenfalls behauptet eine breite Allianz aus Gewerkschaften, Unternehmensverbänden und Behörden. Deren Ziel: Aus der Schwedenkrone soll eine rein virtuelle Währung werden, Cash soll es im Königreich bald nicht mehr geben.

Für ihr Anliegen betreiben die Gruppen in großem Stil Lobbyarbeit. Laut sogenanntem "Raubbarometer", mit dem die Bankgewerkschaft regelmäßig die Öffentlichkeit schockt, sind 25 Prozent der Angestellten im schwedischen Einzelhandel bereits Opfer von Raub und Gewalt geworden. Manche von ihnen sogar mehrfach.

"Es ist schlicht inakzeptabel, dass Menschen zur Arbeit gehen und Angst vor Überfällen haben müssen," erklärt daher auch Mikael Sjöberg. Der Generaldirektor von Schwedens Amt für Arbeitsschutz will Tausende Geschäfte überprüfen lassen, in denen es überdurchschnittlich viele Überfälle gab. Je nach Ergebnis droht den Läden ein grundsätzlicher Bargeld-Bann.

"Wer Bares besitzt, hat etwas zu verbergen"

"Mit dem großen Helikopterraub ging es los," sagt Jonas Milton, zuständig für alternative Zahlungsmittel bei der Stockholmer Zentralbank. Seiner Meinung nach hatte der spektakuläre Raubüberfall vom vergangenen Herbst, als Diebe auf dem Dach eines Stockholmer Geldtransportunternehmens landeten und mit einer Millionenbeute unbehelligt wieder verschwanden, die öffentliche Meinung entscheidend zu Lasten von Bargeld beeinflusst. Schwedens führende Tageszeitung "Dagens Nyheter" leitartikelte damals dramatisch von einer "kriminellen Kriegserklärung."

Jetzt wird zurückgeschlagen: "Zwei von drei Bargeld-Kronen sind schwarz," behauptet Gewerkschaftlerin Löök: "Man weiß ja nicht, wo das Geld eigentlich kursiert. Und das heißt doch nichts anderes, als dass es Teil der Schattenwirtschaft ist."

Der Dachverband "Kontanfritt Nu", in dem sich die Feinde des Bargelds zusammengefunden haben, kritisiert deshalb auch das staatliche Spielmonopol. So werden die Casinos öffentlich als Geldwäschereien gebrandmarkt. Hier würden sich Dunkelmänner in großem Stil Bargeld beschaffen, das dann für den Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen benutzt würde. Und wer Bares benutze, habe meist etwas zu verbergen: "Schließlich bezahlt man auch Prostituierte nur ungern mit der Kreditkarte," sagt Marie Löök süffisant. Prostitution ist in Schweden verboten, auf den Kauf sexueller Dienste stehen empfindliche Gefängnisstrafen.

Kann Bares wirklich böse sein?

Doch mittlerweile regt sich Widerstand gegen die Bargeld-Hasser - nicht nur von Freiern oder Verbrechern. Selbst Martine Syrjänen von der Gewerkerkschaft der Handelsangestellten gibt zu, dass auch unbescholtene Bürger gerne echte Kronen in der Tasche haben. Sie deutet dies aber lediglich als "kulturellen Widerstand". Das Ganze sei "eine Frage der Gewohnheit, speziell bei alten Leuten", sagt die Gewerkschafterin. Dabei sei der bargeldlose Einkauf für Rentner viel besser - "die verlieren doch sonst immer alles".

Bis zum Herbst will das Stockholmer Amt für Arbeitsschutz die Ergebnisse seiner Masseninspektion auswerten. Im schlimmsten Fall müssen rund 3000 Geschäfte auf bargeldlosen Zahlungsverkehr umstellen, was für viele das Aus bedeuten dürfte. Fast alle diese Läden haben etwas gemeinsam: Sie beschäftigen weniger als fünf Angestellte, bieten Öffnungszeiten bis weit in den Abend hinein und liegen an Orten, die Dieben den Zugriff erleichtern.

Und sie werden in der Regel von Einwanderern betrieben, die sonst schwerlich eine andere Arbeit finden. Damit wird die Bargeld-Frage zu einer hochpolitischen Anlegenheit.

Das bevorstehende Bargeldverbot richte sich vor allem gegen kleine von Ausländern betriebene Geschäfte, sagt Maroun Aoun, der Vorsitzender des Kleinunternehmerverbands IFS. "Wir sind doch keine Kriminellen." Investitionen für die Umstellung auf Kartenterminals oder geschlossene Bargeldsysteme könnten die Läden nicht stemmen, ihre Existenz sei in Gefahr.

In Schwedens Großstädten Stockholm, Göteborg und Malmö stehen in mindestens jedem vierten Geschäft Ausländer hinter der Kasse. Sie siedeln sich dort an, wo die großen Einzelhandelsketten weggehen - in den Beton-Ghettos an den Stadträndern. Hier sind die Kunden arm und die Margen niedrig: "Ganze Stadtgebiete werden ohne Milch und Brot dastehen," prophezeit Aoun. Große Hoffnung hat er allerdings nicht mehr - denn die Anti-Bargeld-Lobby hat mächtige Verbündete.

Die Polizeipräsidentin nutzt seit Jahren keine Kronen mehr

"Bargeld ist das Blut in den Adern der Kriminalität," verkündet die Polizeipräsidentin von Stockholm, Carin Götblad. Um dem organisierten Verbrechen Parolie zu bieten, gebe es keine Alternative zu einer umfassenden Einschränkung des Bargeldverkehrs, dozierte Götblad erst kürzlich vor führenden Politikern des Landes.

Götblad selbst benutzt schon seit Jahren keine Kronen mehr, sie zahlt nur noch mit Karte oder Handy. An Weihnachten sorgte sie für publikumswirksamen Rummel, als sie - in Polizeiuniform - auf dem Stockholmer Weihnachtsmarkt einem fahrenden Tannenbaumhändler ihre Visakarte entgegenstreckte.

Schon heute zahlen in Schweden mehr Menschen mit Karte als mit Cash. Doch das sei erst ein Anfang im Kampf gegen Schwarzarbeit und für eine gute Steuermoral, sagt Gewerkschafterin Syrjänen. Am Ende, schwärmt sie, könnte der Komplettverzicht auf Scheine und Münzen stehen. "Eine bargeldlose Gesellschaft ist eine weniger kriminelle Gesellschaft."